Chancen der Mindestlohnerhöhung ungenutzt

| Keine Kommentare

„Das Mindestlohnerhöhungsgesetz kommt und setzt die Lohnuntergrenze auf 12 Euro fest. Was für Millionen Beschäftigte eine gute Nachricht ist, empfinden Unternehmen mit dem Geschäftsmodell ‚Dumpinglöhne‘ als Zumutung. Kein Wunder also, dass die Arbeitgeberverbände den Druck erhöhen und mit juristischen Klagen drohen“, erklärt Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der bevorstehenden ersten parlamentarischen Lesung des Mindestlohnerhöhungsgesetzes im Deutschen Bundestag. Ferschl weiter:

Susanne Ferschl, MdB

„Für die Arbeitgeber, die auf Dumpinglohnmodelle setzen, hat die Ampel ein handfestes Geschenk im Gepäck: die Ausweitung von geringfügiger Beschäftigung. Die sogenannten Minijobs, die gerade im Gastgewerbe und im Einzelhandel ein gern genutztes Flexibilitätsinstrument sind, werden in dem Gesetz als Zukunftsmodell festgeschrieben. Minijobs sind nicht nur ein Einfallstor für Schwarzarbeit und Mindestlohnbetrug, sondern zwingen Beschäftigte in nicht existenzsichernde und nicht soziale Jobs. Insbesondere Frauen werden verstärkt in der Teilzeitfalle festhängen und ihrer beruflichen Chancen systematisch beraubt. Erst recht nach den abgesicherten Erfahrungen der Corona-Pandemie ist das nichts anderes als arbeitsmarkt- und gleichstellungspolitische Geisterfahrerei …

Die Linksfraktion begrüßt die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, wodurch in Deutschland das von der internationalen Mindestlohnforschung als angemessen anerkannte Niveau erreicht wird. Dafür haben wir lange gekämpft. Dass zeitgleich jedoch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (sogenannte Minijobs) ausgeweitet, dynamisiert und als Zukunftsmodell zementiert werden, ist fatal.

Minijobs stehen sinnbildlich für prekäre und nicht existenzsichernde Arbeit. Sie verdrängen reguläre Beschäftigung und begünstigen Schwarzarbeit. Zudem werden sie überproportional häufig von Frauen ausgeübt, die so weder ihre Existenz eigenständig sichern noch gute Rentenansprüche aufbauen können und deren Erwerbspotential stilllegen.

Die Pandemie hat überdeutlich gezeigt: Minijobbende halten als unabgesicherte ‚Reservearmee‘ auf dem Arbeitsmarkt her. Auf sie wird im Krisenfall kurzfristig verzichtet, ohne dass ihnen Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld oder Krankengeld zustünden.

2020 waren rund zwölf Prozent der Minijobbenden arbeitslos. Die Annahme, Minijobs würden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Möglichkeit bieten, entsprechend ihren individuellen Lebensverhältnissen eine Beschäftigung auszuüben, die im Regelfall von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist, hat den Praxistest nicht bestanden.

Wir fordern: Arbeit muss ab der ersten Stunde voll sozialversichert sein. Wer den Mangel an Fachkräften beklagt, muss unsichere Beschäftigung eindämmen und nicht ausweiten… Um die zukünftige Entwicklung gemäß international anerkanntem Standard sicherzustellen, ist der Schwellenwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns als Untergrenze für die Fortentwicklung des Mindestlohns gesetzlich vorzuschreiben.“

Susanne Ferschl, LINKE-Bundestagsabgeordnete des Allgäus, am 27. April 2022